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Die 1950er Jahre

Gründung des Heilpädagogischen Instituts und gesellschaftlicher Paradigmenwechsel

Zeitstrahl 1950er Jahre

1955 – Gründung des Heilpädagogischen Instituts

Die neue Haltung in Bezug auf Menschen mit Behinderung und das Bestreben, ihnen eine Bildung zu bieten, kennzeichnet die Motivation, 1955 ein Heilpädagogisches Institut an der Pädagogischen Akademie in Dortmund zu gründen. Bereits kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges werden in Dortmund berufsbegleitende heilpädagogische Lehrgänge eingerichtet. Zunächst erfolgt das Studium nebenberuflich und dauert 4 Semester. Außerdem sollen Studierende der allgemeinen Pädagogik durch Lehrveranstaltungen des Instituts in die Heilpädagogik eingeführt werden.

Verzeichnisse:

Vorlesungsverzeichnisse bis 1980

Veranstaltungsverzeichnis 1990

Vorlesungsverzeichnis mit Personalübersicht 2002-2003

Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1960 – Pädagogische Akademie Dortmund
Heilpädagogischer Lehrgang an der Pädagogischen Akademie Dortmund

An der Pädagogischen Akademie Dortmund wird seit Wintersemester 1953/54 ein viersemestriger Heilpädagogischer Lehrgang angeboten. Dieser Lehrgang richtet sich an Personen, die die beiden Prüfungen für das Volksschullehramt abgelegt haben und nicht älter als 40 Jahre sind. Der Lehrgang wird neben der Tätigkeit in der Schule an einem Tag - im späteren Verlauf an zwei Tagen - absolviert. Die Aufnahme zu diesem Lehrgang bedarf einer Zustimmung der Schulaufsicht, da die Teilnehmenden an den Veranstaltungstagen vom Schuldienst beurlaubt werden. Es besteht die Möglichkeit im Anschluss eine zwei-semestrige Sprachheilausbildung anzuschließen. Ab Sommersemester 1955 startet der Heilpädagogische Lehrgang nur noch einmal im Jahr zum Sommer. Bis Sommersemester 1969 ist die heilpädagogische bzw. sonderpädagogische Ausbildung als Zusatzqualifikation konzipiert, die neben den beiden Lehrerprüfungen auch ein mindestens dreimonatiges Vorpraktikum an einer Sonderschule als Voraussetzung zur Aufnahme des Studiums fordert.

Studieninhalte des Heilpädagogischen Lehrgangs

Die Studieninhalte für die Heilpädagogische Ausbildung weisen im Laufe der Zeit eine tiefergehende Spezifizierung für die einzelnen Behinderungsarten auf. Mit dem Start des Heilpädagogischen Lehrgangs, der einmal wöchentlich stattfindet, werden für die einzelnen Semester folgende Themen und Inhalte genannt:

Semester                                                

Studieninhalte

1. Semester

Allgemeinpädagogische Grundlegung / Ausgewählte Fragen der normalen seelischen Entwicklung in Kindheit und Jugend / Einführung in die Heilpädagogik / Die Psychologie des Hilfsschulkindes / Anatomie und Physiologie des Menschen, insbesondere Bau, Funktion und Störungen des Nerven- und Drüsensystems

2. Semester 

Aktuelle Fragen der Schulerziehung und Unterrichtsgestaltung / Psychologie des Hilfsschulkindes / Allgemeine Didaktik der Hilfsschule / Allgemeine Psychiatrie

3. Semester 

Fachliche Didaktik der Hilfsschule I / Psychopathologie des Kindesalters / Einführung in die Heilsprecherziehung / Schulpraktika an den Hilfsschulen (Unterrichtsbesuche und Besprechungen) / Werkpraktika in Fröbel- und Papparbeit

4. Semester 

Fachliche Didaktik der Hilfsschule II / Hygiene in der Hilfsschule / Schulpraktika mit Lehrproben der Teilnehmer / Werkpraktikum in Holzarbeit

Ergänzt werden die Studieninhalte durch Gastvorträge, die folgende Themengebiete abdecken: Methodik der Evangelischen Unterweisung und des Kath. Religionsunterrichts in der Hilfsschule / Rhythmische Erziehung und Bewegungstherapie / Orthopädische Leibeserziehung / Geschichte und Organisation des Hilfsschulwesens / Nachgehende Fürsorge, Jugendschutz und Jugendgerichtsbarkeit / Berufseignung und -eingliederung von Hilfs- und Sonderschülern / Erziehungsberatung und Hilfsschule u. a.

Alle Informationen sind den Vorlesungsverzeichnissen der Pädagogischen Akademie Dortmund und der Pädagogischen Hochschule Ruhr aus dem Zeitraum Wintersemester 1953/54 bis Sommersemester 1969 zu entnehmen. Quelle

1950er Jahre – (Wieder-)Aufbau der Sondersysteme

Ursulinen Schülerinnen, Köln Nachkriegszeit
Bissendorf-Holte (Kreis Osnabrück)? Erstes Haus für Heilpädagogik. Kinder beim Musizieren von Hildebrand, Gustav (Herstellung) (Fotograf)

Der deutlich sichtbare Anteil der Bevölkerung, der durch das Kriegsgeschehen körperliche und/oder psychische Verletzungen und Einschränkungen erfahren musste, wird in den Nachkriegsjahren in die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereiche einbezogen, um den Betroffenen ein „normales“ gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Die Orientierung am „normalen Leben“ erfährt einen Transfer auf die verschiedenen Behinderungsformen und wird als Normalisierungsprinzip in den 1950er Jahren eine zentrale Maxime im Umgang mit erwachsenen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.

Weiterhin gibt es in unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung wie auch in den Wissenschaften das Bestreben, an die Errungenschaften der Vorkriegszeit für Menschen mit Behinderungen anzuknüpfen, die ihnen ein „lebenswertes“, auskömmliches und sinnstiftendes Leben in der Gemeinschaft zugestehen.

Dennoch herrscht die Annahme vor, dass Menschen mit Behinderung separate Einrichtungen benötigen. So findet der Wiederaufbau und Ausbau des Anstalts- und Sonderschulwesens unter dem Paradigma der „Verbesonderung“ statt. Eine wirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus wird nicht erwogen. Vielmehr bleiben aktive Nationalsozialisten in bedeutsamen Positionen des Anstalts- und Sonderschulwesens.

Ein erster wichtiger Schritt zu mehr Beteiligung von Betroffenen ist 1958 die Gründung der „Lebenshilfe“ durch Professionelle der Behindertenhilfe und Eltern von Kindern mit Behinderung.